„Elbi“ (so nennen die Hamburger die Elbphilharmonie) lockt, wir besuchen Hamburg. Natürlich geht das nicht, ohne nach Werken Hugo Lederers zu schauen! Auf einer Stadtrundfahrt staunen wir, als schon von der Reeperbahn aus Bismarck in der Form, die ihm unser Künstler gab, herüberschaut! Der Winter macht es möglich, die Bäume verdecken den alten Herrn nicht. Noch mächtiger wirkt er von den Landungsstegen aus. Monumentalfigur, ja das ist sie. Aber heute mit unserer Schwäche für Übergröße ist das wohl nicht mehr der Hauptkritikpunkt. Die ganze Anlage hat eine Homogenität und Komplexität in Harmonie, wie man sie selten sieht. Da steckte schon eine gewichtige Aussage dahinter, die man auch heute noch erkennen kann. Leider wird er nicht erwähnt. Diese üble Nachrede, er sei Vorläufer der Nazis gewesen, macht ihn obsolet. Schade! Es ist so gar nicht wahr.
Dann suchen wir Ohlsdorf auf. Schicksal wie es deutlicher nicht dargestellt werden kann! Diese zugriffsfeste Gestalt schleift die Menschen hinter sich her, am Schopf gepackt und bis in Hände und Füße hinein hoffnungsloses Erschlaffen. Was für eine Ausdruckskraft! Wer hat da behauptet, Hugo Lederer könne keine Frauen darstellen? Was doch Kunsthistoriker so schreiben. Schaut man ins Internet, ist diese Skulptur sehr präsent. Coolste Bezeichnung: Cruel Countness!
Aber noch eine Geschichte fällt ein: Das Model zu dieser Figur verhalf Hugo Lederer zu seiner Karriere. Hugo Lederer wurde nach dem Ableben von Toberentz dessen Atelier angeboten. Leider hatte er nicht genügend Geld. Das Model lieh ihm den entsprechenden Betrag. Leider ist mir der Namen dieser großartigen Frau nicht überliefert. Dafür ist ihre Persönlichkeit, die offensichtlich nicht den Charakter dieser Skulptur hatte, für immer festgehalten. Es gibt viele kunsthistorische Beschreibungen, die meist behaupten, diese poetische Geschichte der Wirkung von Schicksal könne man so nicht darstellen. Offensichtlich sind die Besucher des Parks anderer Ansicht. Auch heute sind Fotografen zur Stelle und lassen sich von der Skulptur im Schnee animieren. Es gibt sogar eine Kurzgeschichte, in der der Verfasser mit ihr ‚spricht‘.
Im großartigen Park Ohlsdorf, der so gar nicht wie ein Friedhof wirkt, schon gar nicht an diesem zauberhaften Wintertag, liegt einige hundert Meter entfernt die z. T. von Hugo Lederer gestaltete Grabanlage Cohen/Robinow. Auch hier führt eine Schicksalsfrau einen Mann weg. Wohin?
Hugo Lederer schuf eine Portraitmedaille des Julius Rodenberg (Werkverzeichnis 6.1911.04). Dieser entstammt der jüdischen Kaufmannsfamilie Levy (Julius 2.6.1831 – 11.7.1914). Er nannte sich wohl beim Jurastudium in Julius Rodenberg um.
Als Herausgeber mehrerer Monatsschriften belieferte er v. a. literarisch Interessierte. Storms ‚Schimmelreiter‘ und Fontanes ‚Frau Jenny Treiber‘ sowie ‚Effi Briest‘ erschienen hier als Erstdrucke. Seine ‚Bilder aus dem Berliner Leben‘ wurden zum Vorbild von Stadtreportagen (Quelle: J. Hoffmann). Er gilt als nationalliberaler Herausgeber. In Berlin/Prenzlauer Berg gibt es eine Rodenbergstraße. Abgesehen davon, dass H. Lederer einen gebürtigen Juden zu seinen Freunden zählte, was seinen oft behaupteten Antisemitismus stark relativiert, bestätigt die politische Ausrichtung Rodenbergs unsere nach all den Recherchen gewonnene Ansicht, dass H. Lederer der des Nationalliberalismus zuzurechnen ist.